PEG-Sonde |
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Margula Wilhelm am 26.7.2012 | |
26 Jul
Die perkutane endoskopische Gastrostomie, abgekürzt PEG, ist ein endoskopisch angelegter, künstlicher Zugang zum Magen. Die PEG-Sonde ist eine Ernährungssonde, die durch die Bauchdecke hindurch in den Magen gelegt, fixiert und an der Bauchwand angenäht wird. Die PEG Sonde wird oft als „ultima Ratio“ hingestellt, um einen Patienten der Essen und Trinken verweigert „vor dem Verhungern“ zu bewahren. Bei der Empfehlung der Ärzte, eine PEG Sonde zu legen, wird aber in den meisten Fällen der Wille des Patienten gar nicht erst erkundet, sondern oft schlicht missachtet. Das Erteilen der Zustimmung an einer dritten Person (die nicht mehr für sich selbst entscheiden kann) einen medizinischen Eingriff vorzunehmen ist für Nicht-Ärzte keine leicht zu tragende Bürde. Durch Zunahme der Lebenserwartung, Ansteigen der Zahl von nicht einsichts- und urteilsfähigen Personen sowie vermehrtem Einsatz aller medizinisch machbaren Maßnahmen stellt sich immer öfter die Frage ob geriatrischen u/o palliativmedizinischen Patienten eine PEG-Sonde zu setzen ist oder nicht. Obwohl oft schon Routine, zählt das Legen einer PEG-Sonde zu medizinischen Behandlungen, die mit schwerer, nachhaltiger Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit und der Persönlichkeit verbunden sind und bedarf deshalb der Einwilligung (§§ 90, 110 StGB). Die Problematik der von Patientenseite erfor-derlichen Zustimmung besteht bei besachwalterten Personen. Da Sachwaltern ein Zeugnis gem. § 283 (2) ABGB im Allgemeinen nicht vorliegt, wird meist gerichtliche Genehmigung verlangt. Im geriatrischen Gutachten sind dann drei Fragen zu beantworten: Ist bei einer bestimmten Person das Setzen einer PEG-Sonde medizinisch indiziert? Zweitens ist diese Maßnahme zur Wahrung des Wohles der betroffenen Person angezeigt? und drittens verfügt die betroffene Person über Einsichts- und Urteilsfähigkeit, um dem Eingriff zustimmen oder ihn ablehnen zu können? Während die Beurteilung der Urteils- und Einsichtsfähigkeit der betroffenen Person kaum Schwierigkeiten bereitet, ist die Beantwortung der beiden anderen Fragen oft gar nicht einfach, wenn die Grundlagen dafür nur unzureichend dokumentiert sind. Für die medizinische Indikation zum Setzen einer PEG Sonde sind zwei Voraussetzungen notwendig. Einerseits muss eine Schluckstörung bestehen, die voraussichtlich nicht mehr reversibel ist. Zum anderen ist in den Leitlinien zum Legen einer PEG-Sonde die Bedingung verankert, dass ein behandlungsbedürftiger Zustand der Unterernährung bereits eingetreten ist oder unmittelbar droht. Ist dieser Zustand nicht gegeben, fehlt es an einer medizinischen Indikation im eigentlichen Sinn. Das Legen einer PEG-Sonde im Sinne der Pflegeökonomie ist jedenfalls obsolet. Dabei macht es keinen Unterschied, wer die Pflege ökonomisieren möchte, ob Akutspital, Pflegeheim, B-Station oder Betreuer in der eigenen Wohnung. Selbst wenn das Setzen einer PEG-Sonde medizinisch indiziert ist gilt, dass die reine medizinische Indikation nicht für die Entscheidung ausreicht, eine PEG-Sonde zu setzen. Die Maßnahme muss auch das Wohl des Betroffenen fördern. Dem Wohl einer Person ist aber nicht dadurch genüge getan, dass sie für eventuell notwendige Infusionstherapie nicht gestochen werden muss. Zur Beantwortung der Frage ob das Setzen einer PEG-Sonde zur Wahrung des Wohles der betroffenen Person beiträgt, ist es notwendig, den aktuellen oder zumindest den mutmaßlichen Patientenwillen zu erheben, sowie diesen aus ethischer und rechtlicher Sicht zu diskutieren und zu respektieren. Dabei ist an die Möglichkeit zu denken, die betroffene Person als palliativmedizinische PatientIn einzustufen. Um die Autonomie der Betroffenen in größtmöglichem Umfang zu respektieren, müssen Verhaltensweisen des Patienten Berücksichtigung finden. Durch faktisches Ablehnungsverhalten können sie eindeutig zum Ausdruck bringen, dass sie eine beabsichtigte (Be)handlung an sich nicht vornehmen lassen möchten. Ist das der Fall, so liefern sie Argumente für den rationalen Diskurs, der in ihrer Umwelt stattfinden muss und der sich mit der Frage zu beschäftigen hat, welche Behandlungsentscheidung im konkreten Fall zur Anwendung kommen soll. Beim Beurteilen, ob die Maßnahme zum Wohl des Patienten beiträgt, ist die Frage zu beantworten, ob durch eine PEG-Sonde die Lebensqualität des Patienten insgesamt verbessert wird, wenn sich als ethisch, menschlich und medizinisch-vernünftig vertretbare Alternative nur mehr palliativ-medizinische Behandlung bietet. (D.h. in Situationen da Nasensonde, i.v. Ernährung oder Port-a-cath Zugang keine Alternativen mehr sind.) Der Begriff „Lebensqualität“ in Verbindung mit geriatrisch-palliativen PatientInnen ist sehr individuell und braucht Wertreflexionen. Lebens-qualität definiert sich als subjektive Wertorientierung und ist somit auch Indikatior für Autonomie des Patienten. Basierend auf dem aktuellen Wissensstand sei der Begriff „Lebensqualität“ – ungeachtet seines bisherigen Eingangs in die Literatur – modifiziert auf „Befindensqualität“ oder „Zustandsqualität“, wobei diese Begriffe ebenso einer rein subjektiven Einschätzung vorbehalten bleiben müssen. Wenn ein Zustandsbild bereits lange andauert und sich nicht zum Besseren verändert, wird auch das Legen einer PEG-Sonde die Befindens- oder Zustandsqualität einer Person insgesamt nicht verändern. Ebenso wird durch das Verwenden einer PEG-Sonde (Nahrungszufuhr über die Sonde) keine Änderung in der Befindens- oder Zustandsqualität dieser Person eintreten. Deshalb sollte der zu treffenden Entscheidung – ob eine PEG-Sonde gesetzt werden soll oder nicht – ein ethischer Diskurs über das Wohl der betroffenen Person vorausgegangen sein, und zwar über „Einstufen als palliativmedizinischen Patient“, über den „mutmaßlichen Patientenwillen“ und über deren persönliche „Lebensqualität“. Dabei sollte zumindest Folgendes dokumentiert sein: a) Am Diskurs teilnehmende Personen (behandelnde ÄrztInnen, Pflegepersonal, Angehörige, Sachwalter, evtl. Palliativmediziner und Medizinethiker) b) jeweiliges Datum zu welchem Gespräche geführt wurden c) Themen die besprochen wurden d) Alternativen zur PEG-Sonde e) bereits ergriffene pflegerische Maßnahmen den Patient auf natürlichem Weg zu ernähren (erhöhte Zuwendung, Biographie bezüglich Vorliebe f. bestimmte Speisen, Alternativkost, Fingerfood, Schluckversuche neben liegender Nasensonde) sowie deren Ergebnisse f) Gewichtsverlauf des Betroffenen g) Prognose für Rehabilitationsmaßnahmen und Heilungs-Chancen h) Aufklärung des Sachwalters aus chirurgischer und palliativmedizinischer Sicht (Diagnose-Aufklärung, Therapie-Aufklärung inklusive Alternativen und Risiko-Aufklärung) i) logopädischer Bericht und Schluckakt (Röntgen) Die Frage nach dem Wohl eines Menschen ist keine alleinige Frage der Medizin, sondern eine Frage der Philosophie. Die Frage nach Beginn und Ende der medizinischen Therapie klärt nicht der medizinische Sachverstand, sondern Verhaltensregeln, die in Recht und Ethik verwurzelt sind. Nicht der Arzt hat ein Recht zu behandeln, sondern der Patient hat das Recht behandelt zu werden. ÄrztInnen müssen selbst unvernünftige Entscheidungen von Patienten akzeptieren, denn das Selbstbestimmungsrecht des Patienten bildet eine absolute (Be)handlungsgrenze. Deshalb ist der ärztliche Vorschlag jemandem eine PEG-Sonde zu setzen, stets individuell zu beurteilen. Zusammenfassung: Das Setzen einer PEG-Sonde ist eine medizinische Behandlung, die der Zustimmung von Patientenseite bedarf. Bevor Dritte einer solchen Behandlung zustimmen können, ist neben attestieren von fehlender Einsichts- und Urteilsfähigkeit der betroffenen Person die Frage nach medizinischer Indikation zu beantworten. Es darf aber nicht bloß nach medizinischem Sachverstand entschieden werden, sondern ist in einem ethischen Diskurs zu klären, ob der Eingriff auch zum Wohl der betroffenen Person beiträgt. Nicht allem, was von Ärzten empfohlen wird, weil es medizinisch machbar ist und medizinisch vernünftig wäre, darf unreflektiert zugestimmt werden. |
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